Jungfrauenmord
oder romantische Fantasien?
In
dieser Ausschnitt wird eine Welt beschrieben die an die ersten Filme
zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Ich glaube diese Geschichte,
aber damals haben sich viele Holländer über diesen merkwürdigen
Schweizer lustig gemacht. Ein Missionar namens Geurtjens war es,
der Wirz während einer gemeinsamen Reise zum Asmatgebiet im Jahre
1924 beschrieben hat. Und später hat ein gewissen Missionar Verschueren,
der erst viel später nach Neu Guinea kam (1928) versucht Wirz's
Arbeit lächerlich zu machen. Er war ganz sicher, das die folgende
Geschichte aus den Phantasien der Informanten kam.
WIRZ.
PAUL; Ethnograph. Kondo 1916 (9. 10 S. 140. 50. E)
''Die Männer begannen mit Einbruch der Dunkelheit die Trommeln zu
schlagen, und alsbald klangen die heiteren, fröhlichen Melodien
junger kraftiger Stimmen in die klare tropische Mondnacht hinaus.
Bis tief in die Nacht hinein schaute ich diesern fröhlichen Treiben
zu und überlegte, was ich tun sollte. Zweck meines Aufenthaltes
war ja in erster Linie, etwas über den Feuer-Dema zu erfahren. Mit
Meru hatte ich wiederholt uber dieses Thema sprechen wollen, aber
stets schien mir die Gelegenheit ungeeignet zu sein. Da musste ich
mit ihm allein sein und ihn vor allem meiner Verschwiegenheit versichern;
auch dann noch schien es mir recht fraglich zu sein, ob er mir etwas
Zuverlässiges mitteilen würde. An eine Rache des Dema glaubte natürlich
auch er, und so suchte ich vorderhand erst auf andere Weise hinter
das Geheimnis zu kommen. Mein Junge Piaring, von Fak-Fak, der sich
schon wiederholt in Kondo aufgehalten hatte, vermochte mir wenigstens
einen Anhaltspunkt zu geben, obschon auch er im Grunde genommen
nicht viel mehr von der Sache wusste, als dass es eben ein grosses
Geheimnis sei. Ihm selbst war die Stelle genau bekannt: ''Jenseits
des Flüsschens Sendar im dichten Busch befinde sich eine grosse,
ringsum geschlossene Hütte, in dieser hause der Dema.'' Nachdem
er mir dies verraten hatte, bat er mich aber dringend, von jeglichem
Versuch, die Hütte aufzusuchen, abzusehen. Andernfalls würde ich
sofort gelähmt werden und zu Boden fallen, und die Männer würden
kommen und mich totschlagen. So wenig wie ich das erste befürchtete,
so sehr gab mir das andere, das mich die Männer totschlagen würden,
falls sie mich ertappen sollten, zu denken.
Zu spassen
war mit dem Geheimnis jedenfalls nicht. Es mochte vielleicht jemand
sogar den berüchtigten Ort bewachen! Für den folgenden Morgen
schien mir aber die Gelegenheit, die Hütte aufzusuchen, ganz besonders
günstig zu sein. Im Festtaumel und nach durchtanzter Nacht würde
es niemanden einfallen, sich früh am Morgen vom Festplatz zu entfernen
und nach dem Busch zu gehen. Irgendwelchen Argwohn hatten die Leute
in dieser Hinsicht nicht gegen mich. So fasste ich den Entschluss,
am folgenden Morgen in aller Frühe noch vor dem EntSchluss des Festes
der Hüte des Rapa-Dema einen Besuch abzustatten. In der Dämmerung
machte ich mich auf. Meinen Jungen sagte ich, dass ich nach dem
Boot gehe, schlug aber statt dessen den Weg nach dem Busch ein,
den mir Piaring deutlich beschrieben hatte. Ich überschritt das
Flüsschen Sendar, fand richtig den grossen Bambusbusch, den Piaring
erwähnt hatte, und schlug mich in der von ihm bezeichneten Richtung
durch den Busch, der nirgends eine Spur von einem Pfad oder von
Begangensein verriet. Alsbald befand ich mich vor einem etwa zwei
Meter hohen Zaun, der einen rechteckigen Platz von dreihundert bis
vierhundert Quadratmetern umschloss, und erblickte im Innern die
hohe, aber kleine, schmale Hütte, die jedoch nirgends einen Zugang
besass....''
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